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Title
Of Kings and Chronicles. National Saints and the Emergence of Nation States in the Early Middle Ages


Editor(s)
Bergsagel, John; Riis, Thomas; Hiley, David
Series
Danish Humanist Texts and Studies
Published
Extent
366 S.
Price
€ 126,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Cordelia Heß, Department für Historische Studien, Universität Göteborg

Seit den 1970er-Jahren sind die damals vorgelegten Studien zu den skandinavischen Königsheiligen thematisch und methodologisch kaum weiterentwickelt worden. Der schwedische St. Erik, die dänischen Heiligen Knud IV. und Knud Lavard werden allgemein entlang bekannter Interpretationslinien betrachtet: mehr oder weniger gewaltsam zu Tode gekommene Thronprätendenten, deren Heiligsprechung als politisches Projekt zur Stärkung der stirps regia gegen rivalisierende Kandidaten sowohl auf den Thron als auch auf die Heiligsprechung vorangetrieben wurde. Der vorliegende Band versammelt die Beiträge einer Konferenz an der Dänischen Nationalbibliothek im Jahr 2010, zu der renommierte Erforscher (dreizehn Männer und eine Frau) der skandinavischen und britischen Hagiographie des Hochmittelalters geladen waren. Entsprechend leistet auch dieser Band keine grundsätzliche Erneuerung des Forschungsfeldes oder einzelner Aspekte, sondern fasst viel Bekanntes noch einmal kurz und bündig zusammen.

Eine eigentliche Einleitung fehlt, im Vorwort zeichnet Nationalbibliothekar Erland Kolding Nielsen kurz die Umstände der Tagung nach, die dann offenbar ohne tiefere redaktionelle Eingriffe zur Publikation der Beiträge führten. Eine Art thematische Einleitung bildet Eric Christiansens „The Difficulty of Composing Patriotic History in the Twelfth Century”, in dem die semantische Entwicklung der patria von Beda bis Saxo Grammaticus kurz aufgezeigt wird. Daraus lässt sich erneut das hier nicht explizierte Fazit ableiten, dass der direkte Bezug von mittelalterlicher „patriotischer“ Geschichtsschreibung auf den modernen Nationalstaat und seine Bevölkerungen und Grenzen keinerlei Sinn ergibt – die übliche ältere Terminologie von Patriotismus, Nationalheiligen und Staatsbildung hätte hier, wie auch in den folgenden Beiträgen, gewinnbringend diskutiert und aktualisiert werden können, wie auch die im Titel des Bandes aufgestellte Behauptung, dass die Entstehung von Nationalstaaten im Hochmittelalter anzusetzen sei.

Die übrigen Beiträge sind thematisch nur lose gruppiert und greifen historiographische, liturgische und hagiographische Quellen und Themen auf. Sigbjørn Olsen Sønnesyn, Kurt Villads Jensen, John Bergsagel, Thomas Riis und Niels Holger Petersen befassen sich, wie bereits in früheren Arbeiten, mit Aspekten der Vita und des Offiziums von Knud Lavard – die Edition des Ordinale Sancti Kanuti Ducis durch Bergsagel 1 war der eigentliche Aufhänger der Konferenz. Olsen Sønnesyn analysiert die historiographischen Bestandteile der liturgischen Texte und öffnet damit die Liturgie als Quelle der politischen Geschichte. Villads Jensen argumentiert, dass Knud Lavard wie andere Königsheilige des 12. Jahrhunderts auch, als Kreuzzugsheiliger präsentiert wurde. Riis beleuchtet die Hintergründe der ungewöhnlichen Entscheidung, den 15. Juni als Knuds Heiligentag festzulegen, anstelle seines Todestages im Januar. Dieser Beitrag hat in weiten Teilen den Charakter eines Handbuchartikels, in dem eine Vielzahl von bekannten Faktoren im Umfeld der Kanonisation wiedergegeben werden: die allgemein angenommenen Gründe für eine Partei, mit einer Heiligsprechung den eigenen Familienzweig in Thronfolgestreitigkeiten zu stärken, die Auseinandersetzungen zwischen den politischen Fraktionen in Dänemark, vielleicht etwas ambitioniert „civil wars“ (S. 97) genannt, die Relationen zwischen Dänemark und dem Reich, und die nur bruchstückhaft aus den Quellen zu rekonstruierenden Überlegungen der dänischen Petenten für die Wahl des Datums.

John H. Lind diskutiert die Bezeichnung „knes“ für Knud und leitet aus den Chroniken Helmolds von Bosau und Saxo Grammaticus eine starke Position des vermuteten Thronprätendenten als Herrscher über die Abodriten ab. Nils Holger Petersen präsentiert Ergebnisse aus dem Projekt „Symbols that Bind and Break Communities“, in dem Heiligenkulte als Stimuli für unterschiedliche Identitäten untersucht wurden, in diesem Fall Knud Lavards Präsentation in liturgischen Texten bis ins sechzehnte Jahrhundert und in historischen Romanen jeweils des frühen neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts.

Danach folgen drei Beiträge über andere Heilige in und aus Skandinavien. Ebenfalls mit liturgischen Texten befasst sich Roman Hankelin: den spätmittelalterlichen gedruckten Liedzyklen für König Knut IV. (gestorben 1086). Diese Drucke basieren auf der anonymen Passio von 1095/96 und der Passio Ailnoths (um 1120). Hankelin kombiniert diese in der Analyse mit einer Antiphon aus der Fragmentsammlung des schwedischen Staatsarchivs. Die liturgischen Zyklen über St. Canutus Rex ergeben einen eigenen Diskurs, der in Ergänzung zu denen der Passiones zur Heiligsprechung führte. Zum schwedischen Nationalheiligen Erik Jedvardsson wechselt Ann-Marie Nilsson, die das Offizium des Heiligen ediert und kommentiert hat. Die historia ist ein Liederzyklus aus populären Texten, Legenden und Wunderberichten, und die relativ gute Überlieferungssituation bietet Einblick in die spätmittelalterliche Entwicklung von Gesang und Notation, die in Eriks Fall kaum Spezifisches, aber viel Typisches enthält. John Toy füllt mit seinem Beitrag über die Liturgie für Thomas von Canterbury in Skandinavien eine Lücke, die er in früheren Quelleneditionen zum Thema gelassen hatte, und listet die Quellen über Thomas vollständig auf. Im Anhang findet sich die Edition einer Thomas-Messe aus Missalen des 12. Jahrhunderts nach zwei Handschriftenfragmenten des schwedischen Staatsarchivs.

Die letzten drei Beiträge widmen sich britischen Heiligen, "to whom in general Scandinavian Saints have been indebted" (S. 9), wie das Vorwort behauptet. David Hiley ediert ein Offizium für St. Oswin, den König von Deira, aus der Sammlung des Corpus Christi College in Oxford. Seine Überlegung, dass der dort sichtbare „English chant dialect“ beispielsweise in Dänemark Einfluss ausgeübt haben könnte, bleibt als Frage stehen. John Caldwell argumentiert, dass der Flandrische Mönch Goscelin von St. Bertin in Canterbury nicht nur die Vita, Translatio und Miracula der Heiligen Mildred aus dem Königshaus von Kent verfasst habe, sondern auch ihre Historia, sowohl Text als auch Musik. Abschließend schreibt Owan Tudor Edwards über die Vita und den Kult des Heiligen David von Menevia, eines Lokalheiligen, der aufgrund veränderter politischer Umstände nach der Reformation als Patron von Wales weiterlebte.

Die Beiträge in „Of Chronicles and Kings“ sind sämtlich gut lektoriert, gut lesbar und von hohem wissenschaftlichen Standard. Als Ganzes jedoch erweckt die Sammlung leider, wie viele Sammlungen über Heiligenverehrung ohne ganz scharfe thematische Abgrenzung, den Eindruck eines bunten Straußes von Heiligen, Texten und Themen. Spannende Thesen oder Versuche, die Fallstudien in größere Zusammenhänge einzubetten, fehlen. Die meisten Autoren und die Autorin präsentieren keine neuen Forschungen, sondern Exzerpte, Nebenaspekte oder Zusammenfassungen älterer Studien, was den Handbuch- oder Überblickscharakter der Beiträge verstärkt und Dopplungen in Aspekten der Heiligenviten und der Ereignisgeschichte zur Folge hat. Die Sprünge von Skandinavien nach England, von der Historiographie in die Musik bleiben unvermittelt nebeneinander stehen. Statt eines Registers wurden die Abstracts der Beiträge noch einmal abgedruckt sowie das Programm des Abschlusskonzerts der Tagung. Der Band ist damit insgesamt eine mit Farbabbildungen, Musiknotationen und kleineren Texteditionen sehr vielseitig und schön ausgestattete Konferenzdokumentation.

Anmerkung:
1 John Bergsagel (Hrsg.), The Offices and Masses of St. Knud Lavard († 1131), 2 Bde., Kopenhagen 2010.

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